fromme Geisterfahrer

Lassen Sie uns hierzu eine kleine Anleihe beim Autofahren machen und davon ausgehen, dass Sie sowohl glücklicher Besitzer eines Führerscheins, wie auch eines Fahrzeuges sind. Das, was Sie aus diesem Gefährt herausholen können hängt, grob gesprochen, von wenigsten zwei Dingen in hohem Maße ab. Das eine ist die Art des Fahrzeugs, das Sie benutzen, das andere, wie gut Sie als Fahrer sind. Zunächst erst einmal zum Fahrzeug: da gibt es den KFZ Schein, dem zu entnehmen ist, wie viele PS Ihr Gefährt hat, welche Reifen eingesetzt werden dürfen und welches die eindeutige Typennummer ist. Kurz je nach Pfiffigkeit der Ingeneure sowie Ihrer Produktauswahl steht Ihnen ein PKW zur Verfügung, der sehr schnell, sehr geländegängig oder einfach nur günstig in seinen Fahreigenschaften sein kann. Mit einem solchermaßen definierten Auto kann man grundsätzlich eine ganze Menge anstellen! Was Sie aber tatsächlich aus diesem Fahrzeug herausholen, wird von Ihrem persönlichen Fahrstil, sowie dem Einsatzbereich abhängen – oder würden Sie mit einem tiefer gelegtes Fahrzeug in schweres Gelände gehen?

Für den einen mag es ein höchst alltagstauglicher und –notwendiger Gebrauchsgegenstand geworden sein, der dabei hilft, die eigenen Aufgaben erheblich einfacher zu lösen und bei dem, im Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine, sich die Grenzen des Machbaren immer weiter herausschieben. Dies mögen für den einen kaum passierbare Offroadstrecken oder für den anderen Langstrecken sein. – Wie aber sieht es mit denjenigen Zeitgenossen aus, die solch ein Gefährt ihr Eigentum nennen und dieses nur sehr selten einmal ausfahren, um es dann schleunigst wieder einzumotten. Definitiv werden Sie den gleichen Besitzstand in Bezug auf dies Gefährt haben, wie die erstgenannte Gruppe. Ihnen reicht es jedoch um dieses individuelle Eigentum in ihrer Garage zu wissen, es im Sinne eines Statussymbols in ihrem Besitzstand einzuordnen und es de facto fast nicht zu gebrauchen.

Genau dies drücken die beiden englischen Wortvarianten des deutschen Wort „Glauben“ aus: Im ersten Fall habe ich eine Weltanschauung gebunkert (=belief), im zweiten Fall setzte ich diese wie einen Gebrauchsgegenstand regelmäßig ein, entwickle sogar noch spezifische Fähigkeiten während dessen Nutzung und gebrauche es im wahrsten Sinne des Wortes als „Kraftmaschine“ für den eigenen Alltag (=faith).

Lassen Sie uns noch einen kurzen Augenblick bei diesem Bild bleiben! Es ist offensichtlich: es gibt einen ganzen Haufen Automarken. Manche davon sind solide, andere weniger. Sie haben die freie Auswahl sich für eine dieser Marken zu entscheiden und dieses von Ihnen frei gewählte „Glaubensbekenntnis“ in Ihren persönlichen Besitz zu überführen, also zu sagen, ich glaube an dies oder jenes. Ob Sie allerdings maximalen Nutzen aus dieser Wahl ziehen oder es als reines Statussymbol gelegentlich einmal hervorholen, das liegt jenseits der Markenauswahl.

Nur über den Besitz, den man hat, zu reden, ihn aber nicht zum Einsatz zu bringen reicht nicht! Gläubiger zu sein bedeutet – so definiert es zumindest der biblische Kontext – ein Profi-Fahrer zu werden. Dabei ist klar: sie werden in jeder Religion und Glaubensrichtung solche Fahrkünstler finden. Dabei ist es zunächst einmal egal, ob es sich um tibetanische Mönche oder „praktizierende Gläubige“ dreht. Hier also liegt eine feine Grenzlinie: sich für ein Glaubensbekenntnis – egal welcher Art - mit dem Kopf entschieden zu haben, vielleicht auch darüber zu diskutieren, es aber nicht zu leben, macht mich im Sinne des Wortes nicht zu einem Gläubigen, sondern zu einem geistlichen Zwitter, der irgendwo auf halbem Wege stecken geblieben ist.

Hier aber genau steckt die Herausforderung an Sie! Sie haben sich für Ihren persönlichen Glauben – egal ob New Age, ostasiatisch oder christlich - entschieden und diesen zuhause eingemottet. Sie erzählen – meist nur auf Anfrage – dass Sie diesen, Ihren persönlichen Glauben hätten, der das und das beinhalte. Vielleicht praktizieren Sie ja auch ein wenig davon und haben sich sogar im Supermarkt der geistlichen Möglichkeiten ihr individuelles Glaubensvehikel zusammengestellt. – Wie aber sieht es tatsächlich mit Ihren Fahrkünsten aus? – Damit meine ich nicht ihren halbjährlichen Kirchgang, den Sonntagmorgen Waldspaziergang, bei welchem Sie Gott in der Natur finden oder das einmal wöchentliche, ostasiatische Entspannungstraining, bzw. das Stoßgebet wenn’s brenzlig wird. Sollten Sie so Ihren individuellen Glauben ausleben, so gehören Sie vermutlich in die Kategorie geistlicher „Sonntagsfahrer“ und sollten überlegen, ob Sie nicht einen Auffrischkursus belegen sollten, um das Fahren nicht völlig zu verlernen! – Tun Sie es nicht, so wird möglicherweise Ihr geistlicher Porsche von Ihnen wie ein Kleinstwagen gefahren werden, der nicht schneller als 45km auf offener Straße fahren darf. Niemals werden Sie das tatsächliche Potential dieses Boliden in Ihrer Garage ausschöpfen, stattdessen werden Sie wohl eher darüber schimpfen, dass Ihnen das Autohaus bei Verkauf dieses Wagens viel mehr versprochen hat, als Sie tatsächlich wahrnehmen. Der Grund: Ihre Fahrkünste sind so unterentwickelt, dass Sie dieses Fahrzeug überhaupt nicht richtig handhaben können, obwohl Sie den Eigentumsnachweis haben. – Wo ist das Problem? – Beim Fahrzeug etwa? – Nein, ist doch klar! In diesem Fall sind Sie das Problem, weil Sie den erworbenen Gegenstand nicht wirklich zum Einsatz bringen und damit all die eingebauten Vorzüge und Fähigkeiten nicht einsetzen!